"Vorführeffekt"

Tipps, Techniken und Diskussion um das Gameplay von Dance Dance Revolution und Dancing Stage

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Ahoj
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"Vorführeffekt"

Beitrag von Ahoj »

Das rhythmische Neonflackern der Maschine taucht mich und meine Umgebung in ein künstliches, unwirkliches Licht, und ich merke, wie mir das Gefühl für Realität entgleitet, als versuchte ich, Wasser fest zu halten.
Ich spüre, wie sich mein Körper auf die kleine Metallplattform schleppt, versuche, meine Gedanken auf das harte Eisen zu konzentrieren, die Unebenheiten über meine Füße in mich aufzunehmen und so wieder in die Realität zurück zu finden.
Schleppend und trocken schlucke ich, mein Magen revoltiert, mir ist speiübel. Ich habe mich übernommen, überschätzt, mein Gegner ist zu stark, wird mich besiegen. Doch für einen Rückzieher ist es nun zu spät. Lachende Gesichter und erwartungsvolle Blicke bohren sich in meinen Rücken, ich spüre es, und doch komme ich irgendwie auf meinen wackeligen Beinen zum stehen.
Hilfesuchend tasten meine schweißnassen Hände nach der Stange hinter mir, meine Finger umgreifen den Schaumstoff, als ob er in der Lage sei, mir beizustehen, mir Trost zu spenden. Schwer atmend lehne ich da, schließe die Augen, will meinen Körper wieder dazu bringen, mir zu gehorchen. Stelle mir vor, wie sich der Schaumstoff mit dem Schweiß dutzender Menschen vor mir vollgesogen hatte, die dieselbe Angst litten wie ich, und der Gedanke lindert meine Furcht ein wenig. Doch kaum stiehlt sich der Gedanke, zu verlieren, wieder in meinen Kopf, meine ich schon fast spüren zu können, wie meine Beine nachgeben.
Der wummernde Bass, die diskutierenden Stimmen hinter mir, das Gerede der Jury: alles verschwimmt zu einem magentafarbenem Potpourris aus Erfolg, Niederlage, Hoffnung, Resignation, Kampfgeist, Schwäche...
So viele Zuschauer hatte ich noch nie, denke ich, und gleichzeitig muss ich wieder würgen. Ich hatte mir alles ganz anders vorgestellt: in meinen Gedanken wäre ich auf die Platte gestiegen, souverän und siegessicher und hätte den Gegner schon allein durch mein Auftreten eingeschüchtert.
Doch nun sehe ich ihn nur durch den seltsam verzerrenden Schleier der Angst, wie er dort steht und zum Takt auf den Fußspitzen wippt. Am Rande meines Bewusstseins registriert ein Teil von mir, dass er ein paar Einstellungen an der Maschine vornimmt, und irgendwas in mir schreit: Es geht los! Heb dein Arsch hoch! Reiß dich zusammen!
Ich lasse die harte Metallstange los und komme auf meinen eigenen, weichen Beinen zum stehen. Schließe die Augen, wische mir den Schweiß von der Stirn, gebe mir Mühe, mich auf die bunten Farben auf dem Bildschirm vor mir zu konzentrieren.
Unterbewusst tasten meine Füße die Platte unter mir nach den gewohnten Vertiefungen ab, und halb hatte ich erwartet, sie nicht vorzufinden. Ich hätte mich umdrehen und sagen müssen ?Ich finde meine Pfeile nicht!? und alle hätten mich ausgelacht. Träge und langsam starre ich auf den Boden. Eins, zwei, drei, vier Pfeile. In Ordnung, in Ordnung, alle da, ganz ruhig.
Plötzlich registriere ich eine Hand an meiner Schulter. Ich fahre herum und blicke meinem Kontrahenten ins Gesicht, seine Lippen bewegen sich auf seltsame Weise, ich kann nicht...
?Ob bei dir alles in Ordnung ist, hab ich gefragt?? kommen seine Worte. Es dauert eine Weile, bis ich den Sinn seiner Worte begreife.
?Ja?, lüge ich.
?Gut?, gibt er zurück und wendet den Blick wieder auf den Bildschirm. ?Es geht nämlich los.?
Und es geht los. Der Bass dröhnt noch lauter als vorher, und jeder Schlag fühlt sich an, als boxe er mir in den Magen. Das Bedürfnis, mich zu übergeben, wird langsam immanent, trotzdem zwinge ich mich dazu, durchzuhalten.
Dann rieselt es langsam durch mein Bewusstsein, langsam, wie Sand durch ein Stundenglas, bis ich es endlich begreife: es ist dieser Song. Ich kann ihn nicht, konnte ihn nicht, werde ihn nie können, er ist zu schwer, die Schritte zu kompliziert, der Rhythmus zu schnell, ich schaffe das nicht, ich...
Links, unten, rechts, unten, links, unten, rechts, unten, links, oben, rechts, oben, links...
Noch bevor ich die Pfeile lesen konnte, hatten sich meine Füße schon in Bewegung gesetzt, ohne mein bewusstes Zutun, fast aus eigenem Willen. Zweifelnd starren meine Augen auf die kleine Zeile, die in der Mitte des Bildschirms prangt wie Babylons Menetekel: 44, 45, 46, 47...
Sie steigt weiter. Unglaublich.
Meine Füße beschleunigen weiter, tragen mich, lassen mich fliegen, treffen in mir schon fast zufällig und wüst zusammengewürfelt erscheinenden Mustern auf die Platte.
?Pamm, padamm, padadadadadamm?, machen meine Schuhe, es scheppert endlos laut.
Mit jedem Pamm, den meine Füße durch die mit Menschen gefüllte Halle echoen lassen, rückt die Erkenntnis ein Stück weit näher in meinen bewussten Geist, frisst sich durch den Schleier der Angst, bis sie fast greifbar ist, ja, schon beinahe real: ich schaffe das!
Ein irres Lachen entfleucht mir, und ich merke, wie sich mein Gegner darauf konzentrieren muss, nicht zu mir herüber zu schauen. Eine unendliche Leichtigkeit nimmt von mir Besitz, Sorgen und Angst fallen von mir ab. Ich würde es schaffen, es souverän bis zum Ende durchziehen. Triumphieren, mich umdrehen, die Arme hochreißen.
Doch wie eine Welle, die sich an einer riesigen Klippe bricht, brandet mein Enthusiasmus wieder ab, als die Erschöpfung einsetzt.
Meine Beine wollen den Dienst verweigern, schicken sich an, die Bewegung einzustellen. Ich weiß, jetzt kommt es drauf an. Mein Körper hatte sich gut geschlagen, jetzt gilt es, ihn bewusst anzufeuern. Ich rufe mir wieder das Bild in Erinnerung, wie ich dort stehen würde, die Arme siegreich erhoben, und versuchte, diesen Tagtraum so real wie möglich zu halten.
Ich verspreche meinen Beinen, dass sie sich endlos ausruhen können, wenn sie mir jetzt nur helfen, jetzt einmal auf mich hören und nicht streiken.
Unter Mobilisierung meiner letzten Reserven überrede ich sie, die letzten paar Pfeile zu treffen. Wenn sie danach zusammenbrächen, einfach unter mir wegknickten und mich invalide dort liegen ließen, mir egal, wenn sie mir nur jetzt gehorchen.
Das Lied neigt sich dem Ende zu. Ich halte den Atem an, spanne die Bauchmuskeln und versuche, den auslaugenden Schmerz in meinen Beinen zu ignorieren. Wieder das gleiche Schema wie am Anfang, ich kannte das Muster: links, unten, rechts, unten, links...
Dann, plötzlich, hallt der letzte Schritt durch die Halle, der Bildschirm wird schwarz, und so wird mein ganzes Bewusstsein. Mein Kreislauf ist überlastet, mein Körper schaltet ab.
Ich konnte nur ein paar Sekunden ohnmächtig gewesen sein, denn ich wache wieder auf, sitze auf der kühlen, metallenen Plattform, lehne an der Stange hinter mir, während sich die Jury vor dem Monitor zusammen drängt, um den Punktestand ablesen zu können.
Einer von ihnen lächelt mich an, hält mir eine Hand hin. Mühevoll nehme ich die Hilfe an, komme wieder auf Beinen zu stehen, die sich gar nicht mehr wie meine anfühlen. Er klopft mir auf die Schulter, bringt mich damit fast aus dem fragilen Gleichgewicht, lacht und sagt:
?Herzlichen Glückwunsch. Du hast gewonnen.?
Ich lächle zurück und habe nicht mal mehr die Kraft, die Arme hochzureißen.
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Ahoj
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Beitrag von Ahoj »

Tjaha, dachte mir, wenn ich schon Kurzgeschichten schreibe, kann ich das ja auch mal zu einem Thema tun, dass mir wirklich Spaß macht.
Und tatsächlich, ich fand das Schreiben total interessant. Abwechslungsreiches Thema, muss ich sagen.
Ach ja, ich konnte keine rechte Sparte hierfür finden, also @Mods: wenn das hier falsch sein sollte, bitte verschieben.
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Beitrag von Schmichel »

Schöne Geschichte. Beim Lesen ist mir eins klar geworden: Ich bin DDR süchtig - anders ist es wohl nicht zu erklären das ich aus dem Text herauslesen konnte welches Lied du in der Story spielst :)

Michael
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Beitrag von LostTemplar »

Jo, ist gut zu lesen. Waren die Fragezeichen mal Anführungszeichen (aus Word kopiert)?
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Ahoj
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Beitrag von Ahoj »

Jup, in der Tat.
Hat der liebe Bill wieder Mist gebaut :D
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Grimmi Meloni
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Beitrag von Grimmi Meloni »

Ahoj hat geschrieben:Jup, in der Tat.
Hat der liebe Bill wieder Mist gebaut :D
Nope, da muß ich den "Bill" jetzt in Schutz nehmen. Das hab ich unter Linux ggf. auch. Das Problem ist bei der Zeichenkodierung zu sehen. Wahrscheinlich ist das Encoding der Characters auf Client und Server unterschiedlich. Ggf. kann auch schon das Encoding im Browser und Word unterschiedlich sein, und dann "knallt" es bereits dort. Wir haben das z.B. hier auch schon öfters mit Eurozeichen erlebt, wenn wir Artikel korrigiert haben. Wenn man dann die Preise mit Copy/Paste in den Browser überträgt, werden sei nach dem Upload auch nicht mehr sauber dargestellt.
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Ahoj
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Beitrag von Ahoj »

Wow, okay, da hat jemand mehr Ahnung als ich.
Muss wirklich an irgendeiner Codierung liegen.

Wollt' ich dich sowieso noch gefragt haben, Grimmi: besteht die Chance, das Schriftstückchen oben in die Artikel zu schmuggeln?
Hab das nur hier gepostet, weil ich nicht wusste, an welche Adresse die zu richten sind.
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